Gedenken an die jüdischen Schüler in der NS Zeit

Am 27. Jan. versammelte sich die Schulgemeinschaft um der Schülerinnen und Schülern zu gedenken, die während der Zeit des Nationalsozialismus unsere Schule verlassen mussten. An diesem Tag wird auch daran erinnert, dass die rote Armee vor 70 Jahre die Häftlinge aus dem Konzentrationslager Auschwitz befreit hatten. Mit unserem Gedenken möchten wir als „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ein Zeichen gegen Rassismus und jegliche Form der Diskriminierung und Ausgrenzung setzen. 13 jüdischen Schülerinnen und Schüler mussten die Wagenburg-Schule verlassen, weil sie Juden waren und ein Schüler wurde aus politischen Gründen verwiesen. Herr Hiller, einst selbst Wagenburg-Schüler, und Frau Talkenberger, Mutter eines ehemaligen Schülers, recherchierten im Staatsarchiv, im Stadtarchiv und im Schularchiv. Sie ließen uns Informationen zu diesen Schülern zukommen. Frau Bär hat mit der Klasse 10a ebenfalls die Archive aufgesucht und noch weitere Einzelheiten über das Leben dieser Schüler in Erfahrung gebracht. Ob es noch mehr Opfer gibt, und ob auch noch Unterlagen über die Täter am Wagenburg existieren, wird ein Seminarkurs in der K1 im nächsten Schuljahr herausfinden.

Der Israelaustausch 2013/2014 hat sich mit der Frage beschäftigt, wie eine Erinnerung an den Holocaust 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aussehen kann. Es wurde die Erin-nerung in Deutschland mit der in Israel verglichen. Auf einem Workshop hat die deutsch-israelische Jugendgruppe Möglichkeiten erarbeitet, an die ehemaligen jüdischen Schüler der Wagenburg-Schule zu gedenken. Diese Vorschläge bildeten die Grundlage für eine Arbeitsgrup-pe, die sich das Ziel gesetzt hat, ein Denkmal für diese Schüler zu errichten. Charlotte B., Char-lotte C., Léa, Florian, Leonie, Cora und Zenab aus der Kursstufe 2 entwarfen und realisierten von September 2013 an das Denkmal, das nun am 27. Januar eingeweiht wurde. Sie wurden von den Lehrern Hr. Riegger, Fr. Bär, Hr. Nothardt, Fr. Salzer, Fr. Timm, Hr. Zitt unterstützt.

Das Denkmal besteht aus zwei Makrolonplatten, die vor einem Spiegel befestigt sind. Auf die Platten sind sieben Silhouetten gesprüht. Zusammen mit den Spiegelbildern ergibt sich für jeden der 14 Schüler eine Silhouette. Wenn wir uns in oder zwischen den Silhouetten spiegeln, werden die Schüler wieder symbolisch in unsere Gemeinschaft zurückgeholt und die Vergangenheit wird durch den Spiegel mit der Gegenwart verbunden. Wenn wir kurz vor dem Denkmal verweilen und uns zwischen den Schülern spiegeln, können wir reflektieren, wie wir als Mitschüler, Lehrer oder Eltern gehandelt hätten oder wir können versuchen uns vorzustellen, wie es den jüdischen Schüler damals erging.

Film zum Gedenktag

Ablauf der Gedenkfeier

Der Unterstufen Chor stimmte uns mit einem hebräischen Lied auf die Stunde ein. In drei kurzen Vorträgen erfuhren wir, wie es zur Idee des Denkmals kam, wie es geplant und umgesetzt wurde und welches Leid die Schüler im Nationalsozialismus erdulden mussten und welchen politischen Hintergrund der Nationalsozialismus dazu bot. In der anschließenden Stunde vertiefte der jeweilige Fachlehrer Informationen über ausgewählte Schülerschicksale mit seiner Klasse. Sieben Klassen konnten von dem tiefen Hintergrundwissen von Referenten profitieren, die Mitglieder in Stolpersteininitiativen sind.

Über unsere jüdische Mitschülerinnen und Mitschüler

Vermutlich in Folge der Nürnberger Rassegesetze verließen 1935/ 1936 fünf Grundschulkinder die Wagenburgschule: Ilse Opatowski, Helga Riese, Gabriele Grünwald, Kurt Westheimer und Werner-Josef Koburger. Sie alle wechselten zur jüdischen Grundschule. 1937 folgte ihnen Marianne Stern, die seit der 1. Klasse die Wagenburgschule besucht hatte. Kurz vor der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 verließen auch Franz-Dieter Wolff und George Alexander (beide 8 Jahre alt) die Wagenburg-Grundschule. Die Pogrome vernichteten die Existenzgrundlage vieler Juden; z. B. wurde das Korsettgeschäft von George Alexanders Mutter in Mannheim in Brand gesteckt. Im Dezember 1938 floh die Familie in die USA. Um Deutschland verlassen zu dürfen, zahlte die Familie fast 50.000 Reichsmark: die Reichsfluchtsteuer, eine Abgabe für den Devisenumtausch, die Judenvermögensabgabe und eine Juden-Sonderstrafsteuer.

Am 15.11.1938 verbot der Reichserziehungsministers allen jüdischen Schülern, öffentliche Schulen zu besuchen. Deshalb wurden die 11-jährige Ursula Mayer und die 8-jährige Susanne Mainzer der Wagenburgschule verwiesen.

Alle Familien der Wagenburg-Grundschulkinder flohen spätestens zu Beginn des Jahres 1939 aus Deutschland. Neun Familien emigrierten in die USA, Familie Grünwald flohen mit ihren Eltern nach Brasilien, und die Familien Mainzer und Mayer gelang die Flucht nach London.

Hingegen blieben die beiden Realschüler Christophorus von Eiff und Siegbert van Wien trotz zahlreichen Schikanen und Misshandlungen in Deutschland. Christophorus von Eiff wurde 1942 per Brief der Wagenburg-Realschule verwiesen, nachdem die NS-Behörden im gleichen Jahr ein Schulverbot für sogenannte „Halbjuden“ beschlossen hatten. Christophorus wanderte 1947 nach Mexico-City aus, wo er heute noch mit seinen Kindern lebt.

Schulverweis aus politischen Gründen

Der 16-jährige Günther Kull war 1943 auf die Idee gekommen, politische Witze in einem Buch zu sammeln, um sie später für sein Geschichtsstudium zu verwenden. Insgesamt trugen ihm Schüler 75 Witze zu. Sein Geschichtslehrer Dr. Zeh erfuhr von diesem Buch. Als überzeugter Nationalsozialist war er besonders über einen Witz verärgert, da dieser am Endsieg zweifelte: „Vorwärts! Vorwärts! Schmettern die hellen Fanfaren! Rückwärts! Rückwärts! Geht es seit zweieinhalb Jahren“ Zeh prügelte auf Günthers Gesicht ein, konfiszierte sein Braunhemd und verbot den Schülern den Umgang mit ihm. 120 bis 130 Schüler stellten sich in einer Laufgasse auf, durch die Günther gehen musste. Dazu hatte ein HJ-Führer aufgerufen, der noch vor wenigen Tagen selbst Günther einen Witz zugesteckt hatte. Unter den Schlägen und Hieben brach er zusammen und war seither ein gebrochener Mensch. Das Kultusministerium verbot ihm zukünftig jeglichen Schulbesuch.

Axel Nothardt

Begrüßungsrede von Charlotte C. und Zenab

Herzlich Willkommen alle zusammen.

Der 27. Januar ist ein Feiertag. Allerdings nicht einer im üblichen Sinn. Er ist ein „Ge-DenkTag“: Ein Tag des Nach-denkens und Ge-denkens. Ein Tag, an dem sich Deutschland und die ganze Welt an die Verbrechen des Nationalsozialismus der Jahre 1933 bis 1945 erinnern.
Heute vor 70 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit.
Heute vor 70 Jahren wurde zumindest dort der Vernichtung von Millionen von Menschen ein Ende gesetzt.
Heute haben sich an genau jenem Ort Vertreter von über 38 Nationen versammelt, um diesem durch die Nationalsozialisten begangenen Verbrechen zu gedenken. Und heute haben wir uns hier versammelt um zu erinnern.
Wir wollen erinnern an die jüdischen Schüler, die während des Nationalsozialismus unsere Schule verlassen mussten. Wir wollen genauso auch an alle anderen Schüler erinnern, die der Schule verwiesen wurden, ob aus politischen oder anderen Gründen. Wir wollen den heutigen offiziellen deutschen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus nutzen, um an unserer Schule zu gedenken.
„Erinnern an den Holocaust“, unter diesem Motto stand der Israelaustausch 2013/2014.
„Holocaust“, das war die Tötung von Millionen von Juden in Konzentrationslagern, durchgeführt von den Nationalsozialisten des damaligen „Deutschen Reiches“.
16 Schüler des Wagenburg-Gymnasiums und 16 israelische Schüler haben gemeinsam überlegt, wie man heute am besten an den Holocaust gedenken kann. Gemeinsam entstand der Wunsch auch den Schülern zu gedenken, die hier an der Wagenburgschule die Diskriminierungen der damaligen Politik erfahren haben. Deshalb sammelte die Austauschgruppe Ideen für ein Denkmal.
13 Wagenburgschüler mussten zwischen 1934 und 1942 unsere Schule aufgrund ihrer jüdischen Abstammung verlassen. Ein Schüler musste gehen, weil er politische Witze sammelte.
Im Rahmen der Projekttage 2014 hat die Klasse 10a zusammen mit Frau Bär eine Recherche durchgeführt. Sie haben in verschiedenen Archiven nach der Geschichte dieser Schüler gesucht. Was mit ihnen passiert ist, wird euch nachher Frau Bär erzählen.

Und so hat sich eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Lehrern und Schülern, gegründet. Unser Ziel war es, den verwiesenen Schülern ein Denkmal zu setzen, inmitten ihrer Schule, inmitten aller Schüler. Ihre Teilnahme an der Schule als gleichwertige Schüler, entgegen aller nationalsozialistischer Rassenideologien festzuhalten, war, woran wir gearbeitet haben.
Deshalb haben wir uns heute hier versammelt. Wir möchten mit euch allen gemeinsam das Denkmal einweihen.
Nun kann man fragen: Wozu gedenken? Weshalb erinnern?
Vielleicht können uns die Worte des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog eine Antwort geben. Er sagte einmal: „Das Erinnern darf nicht aufhören, denn ohne Erinnerung gibt es weder Überwindung des Bösen, noch Lehren für die Zukunft.“

Wir erinnern, um unsere ehemaligen Schüler zu würdigen, die Opfer des Nationalsozialismus wurden.
Wir erinnern, um aus dem zu lernen, was einmal war.
Wir erinnern, damit ein solch menschenverachtendes System nicht wieder in Gang gesetzt wird.
Wir erinnern, damit rassistische und nationalsozialistische Thesen hier keinen Platz mehr finden.
Wir erinnern, damit an dieser Schule kein Schüler mehr ausgeschlossen wird, weil er „anders“ ist.
Und vielleicht kann ich hier doch einmal das Motto unserer Schule anbringen: „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“
Wir erinnern, damit jeder von uns, Lehrer wie Schüler, die Courage zeigt, sich Diskriminierung und Ausgrenzung entgegenzusetzen.

In diesem Sinne steht das Denkmal. Entworfen von uns Schülern, gemacht für Schüler.
In diesem Sinne begehen wir heute den offiziellen deutschen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus.

Und jetzt wird euch Frau Bär etwas über die historischen Hintergründe und die Geschichten der einzelnen Schüler erzählen.

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.

Rede zur Interpretation des Denkmals (Léa und Leonie)

Léa: Wie sieht das Denkmal aus?
Ausgangspunkt für dieses Kunstwerk war folgendes: Wir wollten die 14 von der Wagenburgschule verwiesenen Schüler symbolisch wieder zurück zu uns ins WBG holen. Deshalb ist unser Kunstwerk interaktiv. Jeder wird Teil davon. Wir haben hierfür einen Spiegel und davor zwei Plexiglasplatten in einem Aluminium-Rahmen an die Wand gehängt. Auf diese Plexiglasplatten haben wir sieben unterschiedlich große Silhouetten von Schülerinnen und Schülern gesprayt. Auf der hinteren Platte sind vier Silhouetten zu sehen, auf der vorderen drei. Dadurch, dass sich hinter den Platten der Spiegel befindet, ist jede Silhouette doppelt zu sehen. So ergeben sich insgesamt 14 Schüleroberkörper – für jeden der 14 von unserer Schule verwiesenen Schüler einen. Dadurch, dass die Platten mit Abstand hintereinander in dem Rahmen stehen, überschneiden sich die Schatten, sodass die Spiegelungen räumlich und lebendiger wirken. Wir haben die Schemen sehr transparent gesprayt, dabei sind die Umrisse stärker zu sehen. Wir haben die Fläche im Kopf der Schüler freigelassen, sodass man sich durch die Umrisse in dem Spiegel selbst erkennen kann. Man steht also vor dem Kunstwerk und sieht sich durch den Kopf der gesprayten Schüler. Durch die mehrfache Spiegelung der Plexiglasplatten selbst, ist das Spiegelbild nicht scharf, sondern verschwommen. Man kann sich mehrmals erkennen. Je nachdem, wo man sich vor dem Kunstwerk befindet, sieht man unterschiedlich viele Spiegelungen von sich selbst und von den gesprayten Schülern. Die Lebendigkeit wird durch die vielen Bewegungen und Reflexionen nochmals erhöht.

Leonie: Was soll damit zum Ausdruck gebracht werden? 13 Schüler mussten allein weil sie Juden waren unsere Schule verlassen. Einer wurde aus politischen Gründen verwiesen. Geblieben sind nur noch Erinnerungen an sie – Namen, Schatten ohne Gesichter. Wie wir vorhin gesagt haben, war uns die Interaktion ganz wichtig. Dadurch, dass man sein eigenes Spiegelbild durch die Silhouetten sieht, wird man Teil des Kunstwerks. Hier stehen drei Ideen dahinter. Die erste Idee ist, dass damit die verwiesenen Schüler symbolisch an unsere Schule zurückgeholt werden und während der Schulzeit und in den Pausen unter uns sind. Sie sollen wieder Teil der Schulgemeinschaft sein. Die zweite und dritte Idee betreffen Selbstreflexion und Identifikation. Wir stehen vor einem der Schatten dieser Schüler, blicken durch ihn hindurch um unser eigenes Spiegelbild zu erkennen. Das hat zwei Effekte. Einerseits kann man sich als Außenstehender fragen, wie wir damals gehandelt hätten. Hätten wir diese Schüler unterstützt? Wie weit würden wir gehen, um uns für unsere Mitschüler einzusetzen? Könnten wir uns jetzt selbst so noch in die Augen schauen? Hoffentlich. Andererseits ermöglicht der Blick durch die Schatten ins eigene Gesicht natürlich auch die Identifikation mit diesen verwiesenen Schülern. So befinden wir uns praktisch an ihrer Stelle, werden Teil des Kunstwerks. Wir wollen damit zeigen, wie absurd Ausgrenzung von einer Menschengruppe aufgrund von Religion, Herkunft, Aussehen oder anderem ist, da wir damals genauso gut an ihrer Stelle hätten sein können. Hätten wir damals gelebt, wären welche von uns unter diesen Schülern gewesen. Deswegen haben wir das Denkmal sehr neutral gehalten. Die Schüler haben keine Gesichter, es könnte jeder sein. Es gibt viel Platz für Interpretation. Trotzdem bleibt die Grundidee natürlich das Gedenken an die jüdischen Schüler. Deshalb hängt neben dem Kunstwerk eine Gedenktafel mit den Namen der Schüler, ihren Geburtsdaten und dem Jahr, indem sie die Wagenburgschule verlassen mussten.

Léa: Wir wünschen uns, dass ihr diese Botschaft immer im Hinterkopf behaltet. Wir wünschen uns, dass ihr beim Vorbeilaufen kurz vom Schulalltag innehaltet und euch Gedanken über dieses Thema macht. Sich immer wieder mit solchen schrecklichen geschichtlichen Geschehnissen auseinanderzusetzen, ist die einzige Möglichkeit, in Zukunft so etwas zu vermeiden. Wir wünschen uns, dass ihr selbst darauf achtet, dass es in eurem Umfeld, in eurer Klasse, keine Ausgrenzung gibt. Das sind die besten Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben, generell und auch hier an unserer Schule!

Unsere jüdischen Schülerinnen und Schüler (U. Bär)

Vor 80 Jahren, in der Zeit des Nationalsozialismus, gab es in Deutschland einen enormen Hass auf Juden. Schritt für Schritt nahm man ihnen seit 1933 alle Bürgerrechte: sie durften nicht mehr wählen gehen, heiraten wen sie wollten, ihre Berufe ausüben, und ab 1938 durften jüdische Kinder nicht mehr zur Schule gehen. Danach wurde Juden ihr gesamter Besitz genommen, und wer nicht aus Deutschland floh, wurde ermordet. Welche Spuren hat dieser Hass an unserer Schule hinterlassen?

Dank den Recherchen von Herrn Hiller, einem ehemaligen Schüler der Wagenburgschule besuchte, und den Recherchen der Klasse 10 A während der Projekttage zum Schuljubiläum wissen wir, dass es an der Wagenburgschule 13 jüdische Schülerinnen und Schüler gab, die die Wagenburg-Grundschule und die Wagenburg-Realschule verlassen mussten. Die elf Grundschulkinder hatten jeweils vier jüdische Großeltern, sodass sie besonders harter Verfolgung ausgesetzt waren und aus Deutschland fliehen mussten. Die beiden Realschüler Siegbert van Wien und Christophorus von Eiff hatten jeweils zwei jüdische Großeltern. Auch sie wurden diskriminiert, schikaniert und misshandelt, doch es gelang ihnen in Deutschland zu überleben.

Christophorus von Eiff, der 1942 durch einen Brief des Schuldirektors der Schule verwiesen wurde, ist der einzige der Schüler, von dem wir ein Foto haben, ebenso wie von seinen Eltern. Sein Vater war der bekannte Stuttgarter Maler und Glaskünstler Wilhelm von Eiff.

Was wissen wir von den elf jüdischen Grundschulkindern? Sechs von ihnen mussten die Wagenburgschule in den Jahren 1935 – 1937 verlassen. Ilse Opatowski, Helga Riese, Werner-Josef Koburger, Gabriele Grünwald, Kurt Westheimer und Marianne Stern waren zwischen sieben und zehn Jahre alt und gingen in die 2., 3. und 4. Grundschulklasse, als ihre Eltern sie von der Wagenburgschule nahmen und auf die jüdische Grundschule in der Hospitalstraße 32 im Stuttgarter Stadtzentrum schickten. Der Hintergrund für ihren Schulwechsel waren vermutlich die Nürnberger Rassegesetze von 1935, eines der einschneidensten judenfeindliche Gesetze der NS-Zeit. Das Gesetz bestimmte, dass Juden nicht eine Religionsgemeinschaft, sondern eine „Rasse“ seien, die angeblich nicht deutsch sei und daher nicht die gleichen Rechte habe.

Die Diskriminierung, systematische Entlassung und Verfolgung von Juden in Deutschland spitzte sich besonders im Jahr 1938 zu. In diesem Jahr verließen fünf Grundschulkinder im Alter von acht bis zehn Jahren die Wagenburgschule: Franz-Dieter Wolff, George Alexander, Ursula Mayer, Susanne Mainzer und Hans-Peter Grünwald. Die Klasse 10 A hat im Staatsarchiv Ludwigsburg die Reisepass-Fotos von drei Eltern gefunden, von Frau Wolff, Frau Mainzer und Herrn Grünwald. Herr Grünwald war Prokurist einer Textilfirma in Untertürkheim und wurde 1938 entlassen.

Am 9. November 1938 veranstaltete die NSDAP überall in Deutschland eine nächtliche Hetzjagd auf Juden, die sogenannte Reichspogromnacht. Synagogen und Einrichtungen wie die jüdische Schule in Stuttgart wurden in Brand gesteckt und zerstört. Auch Geschäfte wurden angezündet, wie zum Beispiel das Korsettgeschäft der Mutter von George Alexander, was die Familie offensichtlich zur Flucht aus Deutschland zwang.

Vier Tage nach der Reichspogromnacht, am 15. November 1938, wurde allen jüdischen Kindern der Besuch deutscher Schulen verboten. Der Schulverweis wurde der Familie von Ursula Mayer am nächsten Tag durch einen Brief der Wagenburgschule mitgeteilt. Es ist bisher der einzige erhaltene Brief eines solchen Schulverweises, den die Klasse 10A bei den Archivrecherchen gefunden hat.

Auch ein nicht-jüdischer Wagenburg-Schüler namens Günther Kull, der in seiner Schulzeit heimlich Witze über Adolf Hitler sammelte, musste die Schule verlassen, als seine Witzesammlung von einem Lehrer entdeckt wurde. Er wurde auf Anordnung des Lehrers von seinen Mitschülern zusammengeschlagen und zukünftig von jeglichem Schulbesuch in Deutschland ausgeschlossen.