UNESCO Schulen auf Tour: Unterricht bei der Venus

Dieses Jahr ging die UNESCO-AG (Apoline, Ella, Ilaria, Heidi, Lucile und Mila), Herr Nothardt und Herr Hipp nach Blaubeuren. Wir waren alle besonders gespannt, denn das Wagenburg-Gymnasium war dieses Jahr dafür verantwortlich, die anderen sechzehn UNESCO-Schulen aus Baden-Württemberg zu dieser Veranstaltung einzuladen. Mit viel Engagement von Herrn Nothardt haben wir es dazu gebracht, die einundneunzig Schüler*innen im Alter von 10 bis 30 Jahren in einer Jugendherberge unterzubringen. Diese brachte einiges mit sich, denn sie ist nicht nur gleich neben der wundervollen Altstadt platziert, sondern besitzt auch etliche Tischkicker, die zu einigen wilden Partien führten. Wenn wir nicht gerade mitten in einem hitzigen Spiel waren, befanden wir uns auf einem der vielen Events, die für uns vorbereitet wurden. Vor 42000 Jahren wurde hier die Venus geschnitzt, die älteste figürliche Kunst, die bislang gefunden wurde. Dieser und weitere spektakuläre Funde wie der Löwenmensch oder die Flöten aus Gänsegeierknochen in nahe gelegenen Höhlen bewegte die UNESCO diese Höhlen unter dem Titel „Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb“ als Weltkultur anzuerkennen. Da hier erlebbar ist, wie die Region durch die Erdgeschichte vom Jura bis zur Eiszeit ge- und überformt wurde, ist sie als UNESCO-Geopark ausgezeichnet. Die Schwäbische Alb ist zusätzlich UNESCO-Biosphärengebiet, in dem Landwirtschaft nur im Einklang mit der Natur stattfindet.

Bei der dreistündigen Wanderung vorbei an der Brillenhöhle, der Küssenden Sau und dem Blautopf wurde im Sinn des Geoparks die Geologie vermittelt. Vor 152 Millionen Jahren im Weißjura befand sich hier ein tropisches Meer, das bis zu 200 m tief war. Die Kalkschalen und Skelette der Muscheln, Seeigel und Brachiopoden rieselten auf den Boden und bildeten den gebankten Kalk, der heute noch ansteht. Während dieser Epoche, die Kimmerigium (ki 2.4) genannt wird, bildeten sich mächtige Schwammriffe, die 200 m hoch und breit werden konnten. Diese Riffe sind beständiger als der gebankte Kalk, und so ragen sie noch heute als Felsenköpfe aus der schwäbischen Alb heraus. Die Küssende Sau ist ein solches Riff. In der Brillenhöhle wurden Elfenbeinperlen, verzierte Geschossspitzen und Steinwerkzeuge aus dem Aurignacien (40.000 v. Chr.) und dem Gravettien (26.000 v. Chr.) und angesengte, menschliche Knochen aus dem Magdalenien (19.000 v. Chr.) gefunden, bei denen Schnitten von Feuersteinen auf eine sekundäre Bestattung deuten. Währende der Wanderung hatten die Schüler*innen den Auftrag mit den anderen Schulen sich über ihre Projekte auszutauschen.

Abends nahmen uns die Forscher vom Höhlenverein Blaubeuren in einem Vortrag in den Steebschacht – mit 162 m die tiefste Höhle nördlich der Alpen – mit. Nach vielen Grabungsarbeiten und spannenden Abseilstrecken standen die Forscher an einem blauen Fluss. Dieser Fluss tritt nach wenigen Kilometern unter der Erde am Blautopf zu Tage. Wir haben Einblicke in die Höhlenforschungsarbeit bekommen und haben erfahren, wie nervenzerreißend, anstrengend, frustrierend und doch unfassbar interessant und fesselnd diese Arbeit ist.

Im nächsten Vortrag stellte uns Ingrid Kaipf die Unterschiede zwischen den vegetarischen Flughunden und den Fledermäusen vor und wie die Fledermäuse jagen. Am erstauntesten waren wir allerdings, als sie plötzlich einen kleinen Beutel aus ihrem T-Shirt zog. In diesem befand sich tatsächlich ein kleines Jungtier, welches am selben Morgen wegen einer Verletzung bei ihr gelandet war. Vor unseren Augen mischte sie etwas Futter an und päppelte damit die kleine Wasserfledermaus wieder auf. Als es draußen dunkel genug war, durften wir auch noch mit Batloggern an den Blautopf, die uns ermöglichten, den Ultraschall der Fledermäuse in für uns hörbare Frequenzen umzuwandeln und so die sozial Laute von den Ortungsrufen unterscheiden. Wir beobachteten, wie die Wasserfledermaus an der Wasseroberfläche Insekten aufscheuchte, mit der Haut zwischen ihren Beinen fing, im Spiralflug in die Höhe stieg um den anschließenden Sinkflug zum Verspeisen der Insekten zu nutzen.

Am nächsten Tag tauchten wir drei Stunden in die Steinzeit am Hohlen Felsen ein. Wir machen Bekanntschaft mit dem lieben Rudi (Rudi Walter), der uns einiges über die weiße Jura und unsere Vorfahren erzählte. Er zeiget uns wie man ein Feuerstein so abschlägt, dass er mühelos dickes Leder schneiden kann. Er ließ uns Ockerfarbe anrühren um uns zu bemalen, mit Muscheln, Knochen und Hanfseilen Armbänder und mit Distelsamen und einer Muschel ein Talglicht herstellen und Speere mit der Schleuder werfen. Otto Schwabe zeigte uns in der Höhle, an welcher Stelle die Venus gefunden wurde und erklärte, wie sie datiert wurde. Aber auch den Bärenschliff und die Mondmilch zeigte er uns und ließ uns das Schwirrholz schwingen. Der Leiter der Archäologen, die hier einen Monat lange graben, erklärte uns, wie man mit dem Lochstab Hanfseile dreht und wie die Venus aus 18 Teilen zusammengepuzzelt wurde.

Joachim Striebel von der Südwest-Presse hat alles in einen lesenswerten Artikel zusammengefasst.

Ein weiteres Highlight für ein Teil unserer Gruppe war es durch die Gustav-Jakobs-Höhle zu klettern und robben, wo wir uns bis zum Schluss durch enge Räumlichkeiten quetschen mussten. Mit Helm und Taschenlampe ausgerüstet war diese Höhlenbefahrung ein Abenteuer. Obwohl es 8°C kalt war, schwitzen alle von der Anstrengung in den engen Gängen. Bei einem gut erhalten Seeigel, der hier vor 152 Millionen Jahren am Meeresgrund auf Beutefang war, hielten wir inne. Der beste Part daran war, als wir alle fast auf dem Boden liegend durch eine Felsspalte krochen und wir von hinten Herrn Nothardt sagen hörten: „Also so eng habe ich das jetzt auch nicht in Erinnerung gehabt!“. Nun ja! Schließlich haben wir es alle, wenn auch ganz schön dreckig, aus der Höhle geschafft.

Auch der Tag der Abfahrt blieb nicht langweilig; In der Hammerschmiede, gleich neben dem Blautopf, wurde nach einigen Erklärungen vor unseren Augen ein Flaschenöffner geschmiedet, welcher uns gleich an einer Bierflasche vom Schmied demonstriert wurde! Zum Ausklang ließen wir uns den Hochaltar im Kloster am Blautopf nicht entgehen. Mit vielen Ideen für neue Projekte kehrten wir wieder zurück.

Jedes Mal, wenn wir an das Camp zurückdenken, fallen uns all die wunderbaren Menschen wieder ein, die wir kennenlernen durften, genauso wie all die wunderschönen Momente, die wir zusammen verbracht haben. Alle, die aus der UNESCO-AG dabei waren, sind sich sicher, dass es die richtige Entscheidung war, mitzugehen!

Vielen Dank an den Förderverein vom WBG, das Kultusministerium und die Vector-Stiftung für die Finanzierung.

Apoline Guiller, Axel Nothardt